Bruder Murezi zum Diakon geweiht

Im Rahmen eines feierlichen Pontifikalamtes mit Bischof Joseph Maria Bonnemain ist Bruder Murezi Casanova heute am Patronatsfest von Kloster und Klosterkirche zum Diakon geweiht worden.

«Ausschlaggebend ist hier nicht, wieviel vom Mantel Martin dem Bettler gab, sondern mit welcher Absicht»

Die Predigt von Joseph Maria Bonnemain, Bischof von Chur, zum Hochfest unseres Kloster- und Kirchenpatrons Martin von Tours und zur Diakonweihe von Bruder Murezi Casanova:


«Lieber Bruder Murezi
Lieber Abt Vigeli
Liebe Mitbrüder
Liebe Schwestern und Brüder

Heute feiern wir liturgisch das Fest des heiligen Martin, dem diese Klosterkirche auch geweiht ist. Wir kennen alle seine Geschichte. Mindestens einige Begebenheiten seines Lebens sind sehr bekannt: vor allem, dass er als Soldat seinen Mantel mit einem Bettler geteilt hat. Wir könnten uns fragen: ist es nicht ein wenig knausrig, dem Bettler nur die Hälfte des Mantels zu geben? Hätte er ihm nicht den ganzen Mantel überlassen können? Ausschlaggebend ist hier nicht, wieviel vom Mantel Martin dem Bettler gab, sondern mit welcher Absicht, mit welcher Herzenshaltung. Ich bin davon überzeugt, dass unser heiligen Martin nicht halbherzig, sondern aus und mit ganzem Herzen – wie man sagt – mit Herzblut seinen Mantel mit dem Bettler teilte, sonst wäre ihm in der Nacht darauf nicht Jesus in der Gestalt des Bettlers im Traum erschienen.

Die Liebe, um wirklich Liebe zu sein, darf nicht eine geteilte Liebe sein, in Portionen, mit Grenzen, mit Auflagen, mit Ausnahmen, mit Einwänden, je nach Laune, auf Zeit, ohne Risiken - die Liebe ist verschwenderisch, die Liebe schenkt sich ganz. Das Kleinste, das wir tun, wird gross, wenn wir es mit dieser liebenden Haltung verwirklichen. Es ist im Grunde die ewige Haltung Gottes. Aus seiner Liebe ist alles entstanden und entsteht alles. Gott hat gewagt und gewollt, nicht halb Mensch zu werden, sondern ganz, restlos, für immer. Er hat hundertprozentig die menschliche Natur, all das Menschliche angenommen. Er hat sich mit den Menschen unauflöslich vereinigt, eine unendliche Liebesgeschichte mit der Menschheit gewagt.

Wenn wir versuchen, uns so konsequent, so auflagenfrei, so endgültig und so ganz an Gott und die Menschen zu binden – aus Liebe, werden wir die Gegenwart des Himmelreiches auf Erden verkörpern und setzen die Bindung Gottes an die Menschen fort.

Lieber Bruder Murezi, durch die Weihe zum Diakon entscheidest du dich heute, Werkzeug dieser Bindungsintensität zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und den Menschen zu sein. Deine Weihe an Gott für immer, deine Bereitschaft ehelos zu leben und gehorsam zu sein, sollen Ausdruck deiner Herzenshingabe sein und bleiben. ‒ Deine Liebe soll frisch, jung, zuversichtlich, unberührt bleiben. Es darf nicht sein, dass mit der Zeit die Intensität unserer Liebe abnimmt und wir schliesslich bloss halbherzig alles tun und dass das Herz nur halb dabei ist. Du wirst zum Diakon geweiht. Als Diakon sollte sich die Ganzheit deiner Liebe vor allem in der Herzensoffenheit ausdrücken, die du den Kranken, Hungrigen, Gefangenen, Fremden, Durstigen, Leidenden und Diskriminierten schenkst, wie uns das heutige Evangelium vor Augen führt. Nur so machen wir Gott sichtbar in der Welt. Die Kirche ist mehr als eine NGO, vielmehr als das, nicht bloss eine soziale Einrichtung. Wir leisten zwar viel Soziales, setzen uns für Gerechtigkeit und Frieden, für die Bewahrung der Schöpfung und für alle Benachteiligten ein, aber wir machen das mit einem Plus des Herzens, mit einer Erweiterung des Herzens, die nur möglich durch die Verbundenheit mit dem ist, der ein unendliches Herz der Liebe besitzt.

Liebe Schwestern und Brüder, die Kirche macht eine Krise durch. Wir schämen uns für alle Verbrechen und Missbräuche, die in der Kirche geschehen sind. Wir wollen restlos auf der Seite der Betroffenen stehen. Es reicht aber nicht aus, indem wir uns schämen und uns betroffen zeigen. Was die Betroffenen erwarten und alle Menschen von uns als Kirche erwarten, ist ein Kulturwandel, der nicht zuletzt durch eine Herzenswandlung stattfinden soll. Die Kirche wird ihre Frische und Wirksamkeit für das Heil und an Glaubwürdigkeit wieder gewinnen, wenn wir unser Leben in ein diakonisches Leben verwandeln. Das Bild, das der Prophet Jesaja mit seiner Beschreibung malt, sollte das Bild sein, das wir mit unserer Existenz neu malen, das Bild, das die Menschen sollten betrachten können, wenn sie uns, unser Leben, unser Tun betrachten: «Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung, damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe, [einen Tag der Vergeltung unseres Gottes], damit ich alle Trauernden tröste, die Trauernden Zions erfreue, ihnen Schmuck bringe anstelle von Schmutz, Freudenöl statt Trauergewand, Jubel statt der Verzweiflung».

Vor kurzem, anlässlich des 150. Jahrestages der Geburt der kleinen Therese von Lisieux, hat Papst Franziskus ein Schreiben veröffentlicht und dort sagt er unter anderem: «Nicht alles ist gleichermassen zentral, denn es gibt eine Ordnung oder Hierarchie unter den Wahrheiten der Kirche, und „das gilt sowohl für die Glaubensdogmen als auch für das Ganze der Lehre der Kirche, einschliesslich der Morallehre.“ Das Zentrum der christlichen Moral ist die Liebe, die Antwort auf die bedingungslose Liebe der Dreifaltigkeit ist, so dass „die Werke der Nächstenliebe die vollkommenste äussere Manifestation der inneren Gnade des Geistes sind“. Am Ende zählt nur die Liebe».

Das christliche Leben und das Christentum sind nicht ein Haufen von Gesetzen, Vorschriften, Geboten, Verboten und Normen. All diese Bestimmungen haben nur einen Sinn, wenn sie uns helfen, so zu lieben, wie Gott will. Und die Liebe bleibt die einzige Waffe gegen alles, was nicht Liebe ist, die einzige Waffe gegen alle Waffen der Welt, die einzige Waffe gegen alle Kriege in unserer Welt.

Lieber in einigen Minuten neuer Diakon Murezi, liebe Schwestern und Brüder, es gibt ein einziges zu tun: Lernende der Liebe bis zum letzten Augenblick zu bleiben. Eine Liebe, die nicht launenhaft, schwankend, unbeständig, zeitbegrenzt, unverbindlich ist, sondern ganz, restlos, verbindlich, dauerhaft, für immer. Amen.»

Joseph Maria Bonnemain, Bischof von Chur

 

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