«Was bedeutet dieses komische Wort?» – Diese Frage wurde zu meiner grossen Überraschung von unseren langjährigen Oblaten gestellt, als sie sich zum ersten Oblatentreffen am 13. Juni 2010 im Kloster zusammenfanden. Was bedeutet also der Ausdruck Oblate? Ausgangspunkt für alle Darlegungen ist das dafür einschlägige 59. Kapitel der Benediktsregel «Von den Söhnen der Vornehmen und Armen, die dargebracht werden (offeruntur)».
Das Wort, das wir untersuchen, ist eine Ableitung vom lateinischen Verb offerre, das allgemein «darbringen» bedeutet. Im religiösen Kontext heisst es so viel wie «(Gott) weihen, schenken, opfern». Das, was Gott geschenkt wird, ist der oder die Oblate. Die oblatio ist die Spende, das Opfer, konkret wurden damit die Gaben der Gläubigen bezeichnet, die sie in der Messe darbrachten. Davon abgeleitet wurde im 4.–6. Jahrhundert auch die Eucharistiefeier oblatio genannt.Kapitel 59 der Benediktsregel handelt von der sogenannten oblatio puerorum, von der Darbringung von Kindern, die von ihren Eltern in einer liturgischen Form einem Kloster übergeben und damit Gott geweiht wurden. Dieser Vorgang wurde später auch auf Erwachsene übertragen: Oblate ist, wer sich Gott «geopfert» hat. Er ist also eine Gott geweihte Person, wie dies ja jeder Getaufte ist. Doch im Unterschied zu den Mönchen traten solche Oblaten meist nicht in ein Kloster ein, sondern sie strebten im Anschluss an ein Kloster nach Heiligung in der «Welt». Aus dieser Herkunft des Wortes Oblate ergeben sich drei geistliche Aspekte, die in diesem Artikel entfaltet werden. Im Artikel finden sich auch Ausführungen zur Geschichte der Oblaten.
Flyer Jahresprogramm der Oblaten 2025 [pdf-Datei]
Flyer mit Informationen zu den Oblaten im Kloster Disentis [pdf-Datei]
Die Satzungen der Schweizer Benediktinerkongregation haben ein eigenes Unterkapitel «Die Oblation». Diese wird umschrieben als «ein vor Gott gemachtes Versprechen, im Sinn des heiligen Benedikt und in Verbundenheit mit einem bestimmten Kloster zu leben». Zur Abgrenzung von den Mönchen, die sich durch eine Profess an ein Kloster binden, wird betont: «Die Oblation ist aber kein öffentliches Versprechen.» Sodann unterscheiden die Satzungen zwei Formen von Oblaten, die «Klaustraloblaten» und die «Weltoblaten».
Die Klaustraloblaten wohnen wie die Mönche im Kloster und durchlaufen eine ähnliche Ausbildung wie diese. Sie erhalten bei uns in Disentis denselben Unterricht wie die Kandidaten und Novizen und sind Teil des Juniorates. Am Ende des Noviziatsjahres legen sie ihre Oblation ab. «Sie versprechen in die Hand des Abtes Gehorsam sowie die Bereitschaft, das klösterliche Leben zu teilen und die eigenen Kräfte dem Kloster und seiner Sendung zur Verfügung zu stellen.» (Satzungen) Für einen Besucher des Klosters sind die Klaustraloblaten nicht von einem Mönch zu unterscheiden. Sie tragen das gleiche Ordensgewand, sie nehmen am Chorgebet teil, sind eingefügt in die klösterliche Rangordnung bei Tisch, teilen das ganze Leben der Gemeinschaft. Doch haben sie gemäss den Satzungen kein oder nur beratendes Stimmrecht bei den Verhandlungen des Kapitels und können auch nicht ins sogenannte «Consilium» gewählt werden oder offizielle Ämter übernehmen. Während die Mönche mit der feierlichen Profess auf allen eigenen Besitz verzichten, wird mit den Klaustraloblaten ein Vertrag abgeschlossen, der die gegenseitigen Verpflichtungen regelt und auch bestimmt, ob die Oblation für eine bestimmte Zeitdauer oder für immer gilt. Die Oblaten erklären, dass sie ihre Arbeit «unentgeltlich für das Kloster leisten, während sich das Kloster für ihre soziale Sicherheit verpflichtet.» Sie können aber eigenen Besitz weiterhin behalten. «Das Versprechen eines Oblaten kann von diesem selbst oder vom Abt aus einem gerechten Grund gelöst werden.» Zurzeit leben im Disentiser Konvent zwei Klaustraloblaten. Das Institut des Klaustraloblaten scheint in unseren Tagen wieder neue Aktualität zu erhalten, weil vermehrt Männer im fortgeschrittenen Alter ihre verbleibende Lebenszeit im Rahmen des klösterlichen Lebens ganz Gott darbringen wollen.
Ebenfalls einen Aufschwung nimmt in vielen Klöstern heute die zweite Gruppe von Oblaten, die Weltoblaten. Sie gehen eine weniger enge Bindung an das Kloster ein. Sie «treten durch ihre Oblation in eine Gebetsgemeinschaft mit einem Kloster und nehmen an seinem geistigen Leben teil.» (Satzungen) Die Weltoblaten betreuen seit 2010 Pater Bruno Rieder und Bruder Martin Hieronymi. Zurzeit zählt unsere Disentiser Oblatengemeinschaft circa 85 Mitglieder.
In den vergangenen Jahren haben sich verschiedene Angebote für unsere Weltoblaten entwickelt. Jeden ersten Donnerstag im Monat (bzw. dreimal an einem Wochenende) treffen sich die Oblaten zu einem geistlichen Impuls und Austausch um 16.30 Uhr. Bereits um 15.45 Uhr beten einige den Rosenkranz in der Marienkirche, besonders für neue Berufungen im Kloster Disentis. Um 18.00 Uhr singen die Oblaten zusammen mit den Mönchen die Vesper; wer dies wünscht, kann anschliessend ein Abendessen bekommen. Das Treffen schliesst mit der Feier der Eucharistie um 19.30 Uhr. Bei diesem Angebot sind auch Klostergäste und weitere Interessierte willkommen.
Die beiden Verantwortlichen stellen den Oblaten weitere Hilfen für ihren christlichen Alltag im Geist des heiligen Benedikt zur Verfügung: zum Beispiel Tipps für benediktinische und weitere geistliche Literatur, Impulse für ihr Leben als Oblaten im Alltag, das Angebot persönlicher Begleitung. Zur Tradition geworden sind die Besinnungstage im Kloster Bludenz (Vorarlberg) und die «Via Crucis» zu den Kapellen in der Gemeinde Disentis. Daneben stehen den Oblaten die anderen geistlichen Angebote des Klosters zur Verfügung. Oblaten sind auch jederzeit eingeladen, an den Angeboten der deutschsprachigen Oblatengemeinschaft teilzunehmen. Alle paar Jahre findet in Rom ein Weltkongress für Benediktineroblaten statt. Bruder Martin und mehrere Oblaten besuchten die letzten Kongresse und durften daraus viele Anregungen mitnehmen und wertvolle Kontakte knüpfen.
Interessenten für den Beitritt zur Oblatengemeinschaft können sich mit Bruder Martin Hieronymi unter der Telefonnummer +41 81 929 69 28 oder per Mail unter br.martin@kloster-disentis.ch in Verbindung setzen.