Junioratswoche der Kongregation in Maria-Rickenbach

Die Ostkirchen waren thematischer Mittelpunkt der Junioratswoche der Schweizerischen Benediktinerkongregation, die in diesem Jahr im Kloster Maria-Rickenbach stattfand. Als Referent begleitete die Woche der Professor und Jesuitenpater Michael Schneider aus dem Priesterseminar in Eichstätt.

Teilnehmer waren drei Brüder aus Einsiedeln, sechs Brüder aus Disentis sowie der Disentiser Novizenmeister Pater Bruno Rieder und der Novizenmeister Pater Urs Maria Stadelmann vom Kloster Marienberg als Ausbildungskoordinator der Schweizerischen Benediktinerkongregation. Die Tage waren geprägt durch den Rhythmus von Gebet, Arbeitseinheiten, Mahlzeiten und abendlichem Beisammensein, wie der Disentiser Kandidat Bruder Joshua Kolz berichtet.

«Am Montag reisten die Teilnehmer bei strahlendem Sonnenschein an, sodass die Seilbahnfahrt hinauf nach Maria-Rickenbach und der grandiose Ausblick vom Kloster aus direkt in voller Pracht genossen werden konnten.
Wir starteten die Junioratswoche mit der gemeinsamen Mittagshore mit den Schwestern des Klosters und anschliessendem Mittagessen. Schon beim ersten Essen wurde klar, dass die Schwestern und ihre beiden Mitarbeiterinnen es sehr gut mit uns meinten, was sich im weiteren Verlauf der Woche mehr als bestätigte; wir wurden stets verwöhnt mit vortrefflichen Mahlzeiten und darüber hinaus mit täglich frischem Kuchen und anderen Leckereien.
Nachdem für das geistliche und leibliche Wohl gesorgt war, konnten wir am Nachmittag dann auch mit dem inhaltlichen Teil beginnen. Der Montag war geprägt von einem grundsätzlichen Überblick über die vielen verschiedenen Kirchen der Ostkirche, wie diese zueinander und zu unserer „westlichen“ Kirche stehen und wie sie entstanden sind und sich mit der Zeit entwickelt haben. Es zeigte sich schnell, dass wir uns mit einem sehr komplexen und nicht immer klar und einfach zu erklärenden Thema befassten, da es sich beim Glauben ja nicht nur um äussere Kategorien, sondern um die ganz persönliche und intime Lebensrealität von Menschen handelt.
Schnell nahmen wir wahr, dass Pater Schneider nicht nur inhaltlich über die Ostkirchen informieren wollte; er stellte stets den direkten konkreten Zusammenhang zum christlichen Leben und somit zu unser aller Leben her. Das machte seinen Vortrag über die ganze Woche hinweg überaus spannend und immer wieder persönlich ergreifend. 
Weiter nahm Pater Schneider die Liturgie ins Zentrum und legte dar, wie sich aus der Quelle aller Liturgie, Jerusalem (Auferstehung), über Antiochien, Alexandrien und Rom die verschiedenen Riten entwickelt haben.
Am Abend nach der Komplet hatten wir noch die Möglichkeit, uns im gemütlichen Beisammensein besser kennenzulernen, denn für gleich fünf Brüder war es die erste Junioratswoche.

Der eigentlich erst für Donnerstag geplante gemeinsame Wandertag wurde wetterbedingt auf den Dienstag vorverlegt. 
Bei weiterhin hervorragendem Wetter und angenehmen Temperaturen konnten wir – aufgrund der exzellenten Ausgangslage auf rund 1160 Metern – nach Laudes, heiliger Messe und Frühstück direkt vom Kloster aufbrechen. Weil wir zur Vesper um 16 Uhr zurück sein wollten, um anschliessend noch einen Film über die Wüstenväter anzuschauen, konnten wir nicht wie angepeilt den Brisen (2403 Meter) besteigen; trotzdem fehlte es unserer Wanderung nicht an Aussicht. Wir machten eine Art Rundwanderung mit dem Ziel Musenalp. Dort angekommen, gingen wir noch ein Stück weiter zu einem Aussichtspunkt, von dem sich uns ein Rundum-Panoramablick auf Pilatus, Luzern, Vierwaldstättersee, Rigi, Mythen, Brisen und sogar bis zu den Viertausendern im Berner Oberland bot. Nach Gruppenfoto und Einkehr auf der Alphütte stiegen wir auf anderem Wege wieder hinab, um rechtzeitig zurück im Kloster zu sein.
Nach dem gemeinsamen Vespergebet schauten wir den Film über Eremiten in der Wüste an und bekamen anschliessend noch einige Erklärungen dazu sowie immer wieder sehr tiefgründige Ratschläge für unser persönliches geistliches Leben von Pater Schneider.

Der Mittwoch war dann der erste volle „Arbeitstag“ – allerdings keineswegs weniger spannend als die vorigen Tage.
Nachdem uns in der morgendlichen Messe Novize Simon aus Einsiedeln mit seinem Orgelspiel beglückt hatte, beschäftigten wir uns noch ein wenig mit dem Thema des gestrigen Filmes, den Mönchsvätern. Pater Schneider zitierte in Bezug auf die Lebensform des Mönchs- bzw. Wüstenvaters eine Stelle aus dem Lukasevangelium: „Verlasse Familie und Vaterland und geh in das Land, das ich dir geben werde.“ Es ist ein Pilgersein, weg von Heimat und Familie hin zum „Land, das ich dir geben werde“ – zum Reich Gottes, letztlich zu Jesus selbst. Es ist kein anderes Leben, sondern ein intensiveres.
Weiter sprachen wir über das Thema Versuchung – mit einer bemerkenswerten Sichtweise: Jede Versuchung, der wir erliegen, ist eigentlich positiv, denn wir lernen aus ihr.
Auch gab uns Pater Schneider wieder reichlich wertvolle Analysen und Ratschläge für unser eigenes Leben. Er erklärte uns beispielsweise die Rolle und Bedeutung des geistlichen Vaters: Jeder hat genau einen geistlichen Vater, und zwar denjenigen, der uns auf das „Gleis des geistlichen Lebens“ gesetzt hat. Demgegenüber können wir im Laufe unseres Lebens mehrere geistliche Begleiter haben. Geistlicher Begleiter sein kann beispielsweise auch die Natur, die Musik oder die Kunst.
Ausserdem gab er uns ein Zitat von Dietrich Bonhoeffer mit auf den Weg: „Christus im Bruder erkennt oft mehr als Christus im eigenen Herzen.“
Am Nachmittag schauten wir zuerst wieder einen Film: „Остров – Ostrov“ (deutsch: die Insel). Er handelt von einem russischen Mönch, der an der Nordküste Russlands in einem orthodoxen Kloster lebt und die Rolle eines geistlichen Vaters hat. Zum einen wird gezeigt, wie ihn verschiedene Menschen mit ihren Sorgen und Nöten aufsuchen und er sie heilt, indem er ihnen hilft, sich Christus zuzuwenden und kompromisslos auf ihn zu vertrauen – oft auf scheinbar „verrückte“ oder „bizarre“ Art und Weise. Pater Schneider bezeichnet diese Verhaltensweise mit dem Terminus „Narr in Christo“ und zieht Parallelen zum heiligen Philipp Neri. Andererseits geht es auch um seine persönliche Heilung, denn er lebt seit vielen Jahren unter der Last einer Sünde, die er sich selbst nicht verzeihen kann. 
Im anschliessenden Analysegespräch legten wir noch mal den Fokus auf die Heilungen im Film – die der verschiedenen Ratsuchenden und die des geistlichen Vaters selbst. In Bezug auf die Heilungen der Ratsuchenden sagte Pater Schneider: Wir können nicht durch Rat geistlich begleiten, sondern durch Solidarität. Die geistliche Begleitung muss umsonst sein. Letztlich geht es in der geistlichen Begleitung um die Kardiognosis, die Herzenskenntnis. Zur Heilung des geistlichen Vaters sagte er: Erst wenn wir jede Eigenliebe abgestreift haben, können wir uns alle Sünden verzeihen.

Die Arbeitseinheit am Donnerstag startete mit einem Nachwort auf die Heilung des geistlichen Vaters aus dem gestrigen Film. Hierzu einige zentrale Bemerkungen von Pater Schneider:
„Penthos (Reue) ist entscheidend im geistlichen Leben – und die sicherste Erfahrung, dass Gott in mir wirkt.“
„Nichts ist schöner als ein ehrlicher Sünder.“
„Wer das Gespür hat, sich wahrzunehmen, wie er ist, der ist grösser als jener, der durch seine Gebete Tote zum Leben erweckt.“
„Keiner kann seine Realität erkennen, ohne zugleich Gott zu erkennen.“
„Was hat Perfektion mit Gnade zu tun?“
„Es ist genug, wenn ich Christus mit der mir eigenen Liebe liebe.“
Anschliessend widmeten wir uns der byzantinischen Liturgie. Anhand eines Ablaufplans konnten wir die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Vergleich zur lateinischen Liturgie erkennen. Ein entscheidender Unterschied ist, dass die Gaben in der byzantinischen Liturgie nicht nur während des Hochgebetes bzw. während der Einsetzungsworte, sondern über einen längeren Zeitraum hinweg gewandelt werden – angefangen schon in der Bereitung der Gaben vor dem Beginn der eigentlichen Feier und bis hin zur Kommunion.
Am Mittag verliess uns Bruder Benno-Maria aus Einsiedeln, um für die dort ab heute stattfindende Abtswahl präsent zu sein.
Im weiteren Verlauf des Donnerstags sprachen wir noch über das Jesus-Gebet und den Akathistos-Hymnus als Beispiele ostkirchlicher Gebetsformen, ehe wir uns am späteren Nachmittag noch mit der kirchlichen Dimension des Russland-Ukraine-Krieges beschäftigten. Denn die russisch-orthodoxe Kirche ist ursprünglich in der Ukraine entstanden. Später hat sich die ukrainische Kirche mit Rom zur griechisch-katholischen Kirche uniert. Seither gab es mehrere Versuche Russlands bzw. der russisch-orthodoxen Kirche, um die griechisch-katholische Kirche „zurückzuerobern“, die viele Menschenleben forderten. Doch die griechisch-katholische Kirche bestand weiter im Untergrund. Der aktuelle Krieg ist also aus kirchlicher Sicht einfach ein weiterer Versuch, die griechisch-katholische Kirche „zurückzuerobern“ und den eigentlichen Ursprung der russisch-orthodoxen Kirche wieder orthodox zu machen.
Am Donnerstagabend gab es wie jeden Abend noch eine gesellige Rekreation, in der die Disentis-Einsiedler Beziehungen weiter vertieft werden konnten.

Der Freitag war nun schon wieder der letzte Tag der Junioratswoche. 
In einer letzten kürzeren morgendlichen Einheit blickten wir noch auf das in der Ostkirche sehr wichtige Fest von Maria Entschlafung (bei uns: Mariä Himmelfahrt), das jährlich am 15. August mit grossen Prozessionen gefeiert wird. Wir warfen ausserdem (auch schon teilweise früher in der Woche) einen Blick auf die Ikonenmalerei und ihre Bedeutung in der Ostkirche. Die Ikonen stellen niemals einfach nur eine Szene dar, sondern sind immer theologisch und stellen möglichst allumfassend die Heilsgeschichte dar. Deshalb gibt es für den Ikonenschreiber auch eine Weihe.
Zum Abschluss teilte Pater Schneider noch einige zusammenfassende Gedanken mit uns und gab uns freundlicherweise weiterführende Literaturempfehlungen; er selbst hat auch einige wichtige Werke zum Thema verfasst.

Wir möchten uns herzlich bei Pater Michael Schneider SJ bedanken für die tolle gemeinsame Woche. Sie hat unsere Erwartungen weit übertroffen, denn wir hätten nicht erwartet, so tiefgreifend und berührend über unseren Glauben ins Gespräch zu kommen. Es war nicht nur ein Vortrag von Pater Michael Schneider, sondern auch konkrete gelebte Gemeinschaft mit ihm und den Schwestern von Maria-Rickenbach.
Den Schwestern wollen wir natürlich auch herzlich danken für die grosse Gastfreundschaft, die gemeinsamen Gebete und die Möglichkeit, diese Woche bei ihnen und mit ihnen verbringen zu dürfen. Wir haben uns sehr wohlgefühlt und konnten eine tolle Schwesterngemeinschaft kennenlernen. Wir werden für die Gemeinschaft und ihre Zukunft beten und möchten auch Sie einladen, mit uns für die Schwestern von Maria-Rickenbach zu beten.
Nach dem Mittagessen fuhren wir wieder alle gemeinsam mit der Seilbahn ins Tal, verabschiedeten uns dort voneinander und gingen unserer Wege in Richtung Disentis, Einsiedeln und Eichstätt.»

 

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