Jahrestreffen der Oblaten: Barmherzigkeit in der Benediktsregel

Jahrestreffen der Oblaten: Barmherzigkeit in der Benediktsregel vom 23. Oktober 2016

Zum Jahrestreffen der Oblaten im Kloster Disentis kommen Oblatinnen und Oblaten aus ganz Europa in die Berge Graubündens. Von den Tagen im Kloster Disentis, die diesmal unter dem Titel «Barmherzigkeit in der Benediktsregel» stehen, berichtet Katja Therese Bauer.

Wann beginnt eigentlich ein Oblatentreffen? Für mich beginnt es dieses Jahr bereits zwei Tage vor dem angesetzten Termin mit einer langen Zugfahrt von Hamburg nach Disentis. Als Norddeutsche habe ich die weiteste Anreise. Etwas lästig – aber auch eine gute Gelegenheit, Abstand vom Alltag zu gewinnen und mich langsam auf das Treffen einzustimmen. Wer wird dieses Jahr dabei sein? Welches Thema werden wir haben? Wie war es beim letzten Mal?

Dieses Jahr ist meine Vorfreude besonders gross. Denn im Konventamt am Sonntag werde ich zusammen mit drei anderen Kandidaten als Oblatin des Klosters aufgenommen. Deshalb auch die frühe Anreise. Einen Tag möchte ich noch in Ruhe als Vorbereitung haben.

Kurz nach 19 Uhr komme ich in Disentis an. Die Deutsche Bahn hatte ausnahmsweise einmal keine Verspätung, die SBB sowieso nicht – und so schaffe ich es pünktlich zum Konventamt in die Marienkirche. Wiedersehensfreude: Einige andere Oblaten sitzen schon in den Bänken, die Mönche ziehen ein. Ich bin glücklich. Und fühle mich zu Hause.

Am Samstag beginnt bei strahlendem Sonnenschein unser Treffen. In der Begrüssungsrunde erzählt jeder der rund 35 Teilnehmer kurz, was ihn gerade bewegt und was er im vergangenen Jahr Besonderes erlebt hat. Wir teilen Freude und Leid. Und denken auch an diejenigen, die dieses Mal nicht dabei sein können.

Das Thema des diesjährigen Treffens ist – passend zum ausgehenden Jahr der Barmherzigkeit - «Barmherzigkeit in der Benediktsregel». Pater Bruno Rieder gibt in drei Themenblöcken Impulse mit Sätzen aus der Regel des Heiligen Benedikt und aus der Bibel. Die vielen Gebote der Regel, so erklärt er, sind keine Maßregelungen, die uns das geistliche Leben schwer machen. Im Gegenteil: Sie sind «Werkzeuge», die uns helfen sollen, mit Gott in Verbindung zu bleiben und aus Seiner Barmherzigkeit zu leben.

Die barmherzige Liebe ist das Fundament unserer Beziehung zu Gott - und diese Liebe gilt es einzuüben durch die Liebe zum Nächsten, durch Akte der Demut, durch die Bereitschaft, um Vergebung zu bitten und selbst zu vergeben, und durch die Werke der Barmherzigkeit. «Und an Gottes Barmherzigkeit niemals verzweifeln» – dieser Satz aus der Benediktsregel (RB 4, 47) klingt mir lange nach.

Am Sonntagvormittag ist es dann so weit: Nach der Lectio Divina, die jeder still für sich hält, feiern wir in der Klosterkirche das Konventamt. Abt Vigeli Monn erklärt in seiner Predigt, was das eigentlich ist, ein Oblate. Ein «besserer» Christ? Wohl kaum, das macht das Tagesevangelium vom selbstgerechten Pharisäer, der auf den sündigen Zöllner herabsieht, sehr deutlich (Lukas 18, 9-14). Jemand, der sich bemüht, im Geist des Heiligen Benedikt nach der Weisung des Evangeliums zu leben, sich selbst zu verleugnen und Christus nachzufolgen? Ja, so heißt es im Oblationsversprechen – aber das ist gar nicht so leicht zu verstehen. Vor allem das Sich-Selbst-Verleugnen, mit dem wir moderne, selbstbestimmte Zeitgenossen erst einmal unsere Schwierigkeiten haben. Abt Vigeli fasst es so zusammen: «Die Oblation ist das Geschenk eines Beschenkten.» Jemand, der sich von Gott überreich beschenkt fühlt, gibt sich selbst als Geschenk an den, dem er alles verdankt. Eine wunderbare Definition, die mir aus dem Herzen spricht!

Es folgen die Aufnahme einer Oblatenkandidatin, die Oblation der neuen und die Oblationserneuerung der «alten» Oblaten. Apropos alt: Mit der diesjährigen Aufnahme von drei jungen Frauen, die noch in den 20ern sind, hat sich unsere Schar auffällig verjüngt. Drei junge Novizen gibt es auch im Kloster. Welch eine Freude! «Und an Gottes Barmherzigkeit niemals verzweifeln»...

Nach der Messe geht es zum festlichen Mittagessen mit der Klostergemeinschaft in den Weissen Saal. Wir führen angeregte Gespräche und erleben als besonderes «Dessert» das musikalisches Vorspiel des elfjährigen Bruders einer Neu-Oblatin auf dem Hackbrett. Schöner kann der Tag fast nicht zu Ende gehen. Ein letzter Impuls, und es heisst Abschiednehmen. Für manche Nicht-Disentiser, auch für mich, für längere Zeit. Aber das jährliche Treffen wirkt nach. Es stärkt uns im Glauben und festigt die Verbundenheit mit der Klostergemeinschaft und untereinander. Nicht zuletzt tragen wir auch jedes Mal ein Stück benediktinisches Leben hinaus in die Welt: Meine Hamburger Freunde z. B. wissen inzwischen nicht nur, was eine Oblatin ist – sie haben auch gelernt, dass «mein» Kloster nicht in Disentis liegt, sondern in Disentis.

Herzlichen Dank im Namen aller Oblaten an Abt Vigeli und die Klostergemeinschaft für die freundliche Auf- und Anteilnahme, an Pater Bruno für die intensive geistliche Begleitung und an Bruder Martin Hieronymi für die umsichtige Organisation und engagierte Betreuung unserer Gruppe. Sin seveser und Auf Wiedersehen! Spätestens beim nächsten Oblatentreffen.

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