Um «Gemeinschaft aufbauen gemäss der Benediktsregel» geht es beim Jahrestreffen der Oblaten des Klosters Disentis am 20. und 21. Oktober 2018. Von dem Wochenende in unserem Kloster berichtet Heinz Lehner-Hautle.
Oblaten-Jahrestreffen? – Auf meiner Bahnfahrt nach Disentis geht mir dazu sehr Vieles durch den Kopf. Meine Vorfreude und Erwartungen sind gross und meine Gefühlslage etwas angespannt. Für zwei weitere Kandidatinnen und mich endet an diesem Wochenende das einjährige Oblaten-Probejahr; ein Kandidat wird sein Oblaten-Noviziat antreten und … Oblatinnen und Oblaten werden ihre Oblation – das Versprechen, als Christ in der Welt «unter der Führung des Evangeliums» und im Geiste der Benediktsregel zu leben – erneuern.
Die Begrüssung durch Bruder. Martin Hieronymi und die laufend anreisenden Oblatinnen und Oblaten ist so herzlich, dass bei mir die Freude Oberhand gewinnt. Viel zu meiner persönlichen Entspannung trägt bei, dass wir zwanglos in das gottesdienstliche Leben einbezogen werden (RB 43,3) und somit auch auf das Wesentliche für uns Oblatinnen und Oblaten ausgerichtet werden: Wahrhaft Gott suchen (RB 58,7).
In der Eröffnungsrunde am Samstagvormittag verteilt Pater Bruno Rieder nach einer kurzen Einführung eine Sammlung von 21 Worten aus der Benediktsregel, die jeder/jedem von uns helfen können herauszufinden, wo sie/er auf dem Weg als Oblatin oder Oblate steht: Welches Wort spricht mich momentan am meisten an? Weshalb? Zudem lädt er jede und jeden von uns ein, darüber nachzudenken und nach Wunsch zu berichten, ob es seit dem letzten Jahrestreffen ein besonderes Gottesgeschenk gebe. Im Austausch zeigt sich auf sehr eindrückliche und teilweise berührende Weise, wie vielfältig diese Gemeinschaft ist. Mich beeindruckt zu spüren, dass wir trotz der breiten Verschiedenartigkeit gemeinsam auf das gleiche Ziel hin unterwegs sind.
Nach dem Mittagessen gehen wir in die Pfarrkirche Sogn Gions, wo wir gemeinsam singen und beten. Ein sehr schönes Erlebnis ist die anschliessende kurze Wanderung, während der sich Begegnungen und angeregte Gespräche entwickeln.
Das Thema unseres Jahrestreffens «Gemeinschaft aufbauen gemäss der Benediktsregel» bearbeiten wir am Samstag. Zunächst erhalten wir von Pater Bruno unter dem Titel «Wie sehe ich meinen Mitmenschen?» einen ausgeprägten Impuls. Anhand ausgewählter Kapitel aus der Regel behandelt er die Aspekte «1. Mache dir kein Bild von deinem Nächsten» und «2. Wer ist der Nächste für mich?».
Danach berichten zwei Oblatinnen über den Weltkongress 2017 der Benediktineroblaten, an dem sie teilgenommen haben und der unter dem Thema «Der Zukunft entgegen – die Benediktinergemeinschaft in Bewegung» gestanden hat. Aus Rom haben sie mitgebracht, dass Oblate sein bedeutet, Träger der benediktinischen Spiritualität zu sein, wo immer sie/er ist. Oblaten sollen nicht nur Konsumenten, sondern Träger der Tradition und Gefährten des Klosters sein, mit dem sie verbunden sind.
Im Sinne eines Auftrages vom Weltkongress an die einzelnen Oblaten-Gemeinschaften diskutieren wir auf verschiedene Art sehr intensiv und – unterbrochen durch die Gebetszeiten mit den Mönchen und dem Nachtessen – bis gegen Mitternacht. In Gruppen setzen wir uns damit auseinander, welche Vision uns vorwärtstreibt, was das für uns konkret bedeutet und was wir umsetzen wollen. Die einzelnen Visionen sind:
1. Die Regel als unsere lebendige Tradition hochschätzen
2. Hören im Gebet und in der Kontemplation
3. Aus-/Weiterbildung (Formation) von Oblaten als Sicherung der Zukunft
4. Oblaten als gute Verwalter (entsprechend «Laudato si»)
5. Oblaten wollen sich vernetzen
Was wir dabei zusammentragen, werden wir nach dem Jahrestreffen weiter auswerten und nach Möglichkeit umsetzen.
Am Sonntagvormittag bin ich aufgeregt und nachdenklicher als sonst. Ich werde meine Oblation ablegen (dürfen); mein Versprechen, «…im Geist des Heiligen Benedikt nach der Weisung des Evangeliums zu leben, mich selbst zu verleugnen und Christus nachzufolgen.» Die Eucharistische Anbetung mit Gebetsimpulsen, die wir in der Marienkirche halten dürfen, ist für mich eine sehr hilfreiche Einstimmung. Danach feiern wir mit den Mönchen und der Bevölkerung das Konventamt. Abt Vigeli Monn erklärt die Oblation. Am Beispiel des Oblatennamens, den sich jede Oblatin und jeder Oblate zulegt, weist er darauf hin, dass mit der Hingabe an Gott für jede Oblatin und jeden Oblaten ein neuer Lebensabschnitt beginnt.
Ein Oblatenkandidat wird aufgenommen und erhält die Regel des heiligen Benedikt. Danach legen wir drei neuen Oblaten einzeln die Oblation ab und übergeben Abt Vigeli die eigenhändig verfasste Urkunde. Die bisherigen Oblaten erneuern ihr Versprechen gemeinsam. Bewegende Momente!
Im Anschluss an das feierliche Konventamt sind wir im Pilgersaal zum festlichen Mittagessen mit der Klostergemeinschaft eingeladen. Dabei ergeben sich wieder sehr schöne Begegnungen und angeregte Unterhaltungen.
Noch einmal treffen wir uns zu einem Impuls im Peter Kaiser Saal, bevor wir uns verabschieden und alle als bewusste Christen in «unsere« Welt zurückkehren, aber verbunden mit unserem Kloster St. Martin in Disentis.
Ganz herzlich danke ich auch im Namen der Oblaten Abt Vigeli und der ganzen Klostergemeinschaft für die grosse Gastfreundschaft sowie die jeweils freundliche Aufnahme im Kloster. Pater Bruno danke ich von Herzen für die tiefsinnigen, verständlichen und aufschlussreichen Impulse und Bruder Martin für die immer sehr gute Organisation aller Anlässe und die liebevolle Betreuung unserer Oblatengruppe. Vergelt’s Gott!