Jahrestreffen der Oblaten: «Die Arbeit an sich selbst»

Oblationen, Oblationserneuerung, Impulse und Austausch und eine intensive Beschäftigung mit der Benediktsregel 4,74-78 «Die Arbeit an sich selbst» standen Anfang November auf dem Programm des Jahrestreffens der Oblaten des Klosters Disentis. Von diesem Treffen berichtet Oblatin Katja Thérèse Bauer

Der heilige Petrus scheint unsere Oblatentreffen zu mögen. Oder ist es im Herbst in Disentis einfach am schönsten, wie Abt Vigeli beim Mittagessen meinte? Wie dem auch sei: Bei wieder einmal strahlendem Sonnenschein und angenehm warmen Temperaturen fand vom 8. bis 10. November das Jahrestreffen der klösterlichen Oblatengemeinschaft unter der Begleitung von Pater Bruno Rieder und Bruder Martin Hieronymi statt. Das Thema lautete: «Die Arbeit an sich selbst» gemäss der Regel des heiligen Benedikt (RB 4,74-78). Damit fand unsere mehrjährige Beschäftigung mit den 74 «Werkzeugen der geistlichen Kunst», die in der Regel genannt sind, ihren Abschluss.

Wie Pater Bruno in seinen Impulsen ausführte, vergleicht der heilige Benedikt das Kloster mit einer Werkstatt und gibt dem Mönch ein moralisches «Handwerkszeug» an die Hand, eine lange Liste von Instrumenten, die es zu erlernen und einzuüben gilt. Aufgeführt sind zum Beispiel: «Sich selbst verleugnen, um Christus nachzufolgen», «Alle Menschen ehren», «Arme bewirten», «Der Rachsucht nicht einen Augenblick nachgeben», «Nicht murren», «Gottes Weisungen täglich durch die Tat erfüllen». Mithilfe dieser Instrumente wird der Mönch befähigt, sein Leben in der Klostergemeinschaft nach Massgabe des Evangeliums zu führen und so sein Taufversprechen zu erfüllen und Jesus nachzufolgen. Ziel dieses lebenslangen geistlichen Ausbildungsweges ist es, einst mit Christus das Reich zu erben (vgl. RB Prolog, 50) und so den «Lohn» zu empfangen, den der Herr selbst versprochen hat: «Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, hat Gott denen bereitet, die ihn lieben.» (RB 4,75 nach 1 Kor 2,9)

Für uns Oblaten, so führte Pater Bruno weiter aus, ist das Kloster unser Alltag, in den wir gestellt sind: Unsere Familie, unser Beruf, unsere Gemeinde, unsere Vereine … Dort sollen wir in Treue und Beständigkeit mit unseren je eigenen Gaben und Talenten den Leib Christi mit aufbauen helfen (vgl. Eph 4,7.11-13). Konkret kann das heissen, dass wir uns als Eltern und Katecheten für die Weitergabe des Glaubens einsetzen, dass wir uns in der Gemeinde engagieren oder «einfach» nur, dass wir unsere täglichen Kreuze, unsere Mühen und Sorgen auf uns nehmen und nicht davonlaufen. Gott traut es uns zu und schenkt uns seine helfende Gnade.

Arbeit an sich selbst, eine lange To-do- bzw. Not-to-do-Liste, Kreuztragen – das klingt anstrengend und einschüchternd, ein (geistlicher) Kampf, der nie aufhört, weil man ihn sonst schon verloren hat. Ja, es ist richtig: Die Nachfolge Christi ist zuweilen mühsam und kostet uns etwas. Aber Grund, mutlos und frustriert aufzugeben, haben wir nicht. Denn Gott überfordert uns nicht. Wir müssen das «Kunstwerk» unserer Christusnachfolge weder allein aus eigenem Bemühen vollbringen noch muss es am Ende unseres Lebens perfekt sein (vgl. RB Prolog 4.29). Vielmehr kommt Gott uns mit seiner Gnade entgegen und schenkt uns jede Hilfe, wenn wir ihn darum bitten. Und die Vollendung unseres «Werkes» ist ohnehin die Sache Gottes, nicht die unsere. Etwas anderes anzunehmen, wären Stolz, Perfektionismus und Hybris.

Pater Bruno erwähnte in diesem Zusammenhang auch die Marienweihe nach Ludwig Maria Grignon de Montfort, also die vollständige Hingabe an Jesus Christus durch die Hände der Gottesmutter. Sich der Formung durch Maria zu überlassen, sei der sicherste und leichteste Weg, Christus nachzufolgen und ihm immer ähnlicher zu werden. Denn sie selbst sei die vollendete Form, in die Christus seine Gestalt eingegossen hat, weil er in ihr Fleisch angenommen hat, weil sie ihn durch ihre Erziehung formen durfte und weil er sie am Kreuz zur Mutter seines mystischen Leibes, der Kirche, gemacht hat (siehe  Joh 19,26 f).

Unsere menschliche Schwäche hindert uns also nicht daran, mit unserer «Arbeit an uns selbst» das Ziel unseres Weges, das ewige Leben im Reich Gottes, zu erreichen. Davon war der heilige Benedikt zutiefst überzeugt. Seine Liste mit den 74 Werkzeugen endet mit dem Aufruf: «Und an Gottes Barmherzigkeit niemals verzweifeln» (RB 4,74). Gottes Barmherzigkeit ist unendlich größer als unsere Schwäche. Diese Erkenntnis, die uns in der Person Jesu offenbart wurde, verleiht der «Arbeit an uns selbst» Flügel und gibt ihr die nötige Leichtigkeit.  

Neben diesen tiefgründigen geistlichen Impulsen kam auch die Geselligkeit in unserer Runde nicht zu kurz. Am Samstag machten wir einen Ausflug zur Kapelle Sogn Benedetg oberhalb von Sumvitg. Diese wegen ihrer Form, ihres Lichteinfalls und ihres leiterartigen Glockenturms berühmte Kapelle wurde in den 80er Jahren nach dem Entwurf von Peter Zumthor und Annalisa Zumthor-Cuorad gebaut, nachdem die alte Kapelle von einer Lawine zerstört worden war.
 
Höhepunkt unseres Oblatentreffens war das Konventamt am Sonntagmorgen in der Klosterkirche. Als Evangelium des Tages hörten wir Lukas 21,1-4, das Opfer der armen Witwe im Tempel. Die Predigt hielt der durch seine ansprechenden und zeitgemäßen Glaubenskurse bekannte Pfarrer Leo Tanner, der mit ehemaligen Mitschülern seine 50-jährige Matura im Kloster feierte. Pfarrer Tanner erklärte anschaulich, wie der Opferkasten im Tempel funktionierte und wie man durch die Geräusche, die das Geld im Kasten machte, sofort hören konnte, wieviel der Einzelne gespendet hat. Die beiden kleinen Münzen der armen Witwe machten nur wenig Geräusche. Trotzdem hat sie mit ihnen nicht nur ihren gesamten Lebensunterhalt für Gott hingegeben, sondern auch sich selbst und ihre ganze Armut in seine Hände gelegt, im unendlichen Vertrauen darauf, dass Gott ihr beistehen und ihre Armut in etwas Gutes verwandeln wird.

Einen schöneren Übergang zum anschliessenden Oblationsversprechen von vier Kandidaten und zur Aufnahme einer neuen Kandidatin vor bzw. durch Abt Vigeli konnte es kaum geben. Denn als Oblate, als Oblatin gibt man sich ebenfalls ganz in die Hände Gottes, um nach der Weisung des Evangeliums und mithilfe der Regel des heiligen Benedikt Christus nachzufolgen und sich von ihm immer mehr in sein Bild verwandeln zu lassen.

Herzliche Glück- und Segenswünsche allen Neu-Oblaten und der Kandidatin! Herzlichen Dank auch an Pater Bruno und Bruder Martin für die gelungene Organisation und die wertvollen Impulse sowie allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern und der Mönchsgemeinschaft für die guten, vertrauten Gespräche. Unsere Jahres-Oblatentreffen sind immer eine grosse Bereicherung und Freude, nicht nur bei Sonnenschein.

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