Als «Pilger der Hoffnung» weilte die Disentiser Oblatengruppe vom 15. bis zum 18. Mai im Dominikanerinnenkloster Bludenz – entsprechend dem Motto des Jubiläumsjahres 2025. Zwölf Teilnehmer und Teilnehmerinnen hatten sich auf den Weg gemacht, um aus biblischen Texten geistliche Anregung zu schöpfen und frohes Miteinander zu pflegen. Bruder Martin Hieronymi und Pater Bruno Rieder begleiteten sie.
Hier der Bericht aus Bludenz von Pater Bruno:
Hoffende Menschen machen sich auf den Weg und setzen diesen unter allen Umständen fort. Das lehrten die drei biblischen Gestalten, denen die Oblaten in den Impulsen begegneten. Die Erzählung vom Stammvater Abraham (Gen 12) sollte den Israeliten im Exil Mut machen, will uns heutigen Christen, die zur gesellschaftlichen Minderheit werden, alle Verzagtheit nehmen. Die Erwählungsgeschichte, so zeigt der Blick auf Abraham, beginnt nicht im zugesagten Land, sondern in der Verbannung, im Zweistromland. Der Anfang des Weges Gottes mit seinem Volk steht im Licht der Verheissung: Schau vorwärts!
Doch manchmal gerät das Weitergehen ins Stocken, bricht etwas, bricht jemand zusammen. Woher kommt dann noch Hoffnung? Mit dieser Frage ist der Prophet Elija konfrontiert (1 Kön 19). Er steckt in einer existenziellen Krise, so sehr, dass er sterben möchte. Er kann nicht mehr. Er hat Angst, er flieht. Doch Gott lässt ihn in der Wüste seiner Einsamkeit und Depression, seiner Selbstisolation und seines Selbstmitleids nicht allein. Er schickt ihm einen Engel, der ihm – so nannte es Pater Bruno – das Hoffnungs-Evangelium zuspricht: «Steht auf und iss!» Die schlimmste Gefahr droht dem Menschen, wenn er sich in die Verzweiflung treiben lässt. Deshalb mahnt der heilige Benedikt: «Und an Gottes Barmherzigkeit niemals verzweifeln.» (RB 4,74) Jesus Christus und seine Jünger, die vom Heiligen Geist erfüllt sind, sind daran zu erkennen, dass sie stets aufrichten, ermutigen, die Hoffnung stärken. «Steh auf!» ist ein biblisches Leitwort, in ihm verdichtet sich die Osterbotschaft. Und: Gott gibt nicht bloss wohlfeile Ratschläge, sondern verleiht die Kraft zum Weitergehen durch die Himmelsspeise, die er anbietet. Diese Hoffnungsspeise ist letztlich Jesus Christus selbst.
Der Prophet Elija lehrt noch ein Zweites. Definitiv befreit ihn aus seiner Resignation erst eine Gotteserscheinung. Gott hatte ihm zugerufen: «Stell dich vor den Herrn!» Nur im Angesicht Gottes erwacht die Hoffnung neu. Diese Erfahrung auf dem Berg Horeb befreit den Propheten von einer falschen Gottesvorstellung. Er hatte geglaubt, Gott werde sich mit Donnergetöse durchsetzen – Erfolg und Sieg im irdischen Sinn. Doch nicht im Triumphalen zeigt sich Gott, sondern in der Gestalt Jesu: im menschgewordenen Gott, im Leidenden am Kreuz. Gott offenbart sich im Leisen und Schwachen, mit der «Stimme verschwebenden Schweigens». Gerade darin erweist sich sein Wesen, das Liebe ist. Deshalb sind Tage der Stille und Zeiten der schweigenden Anbetung, wie stets während der Besinnungstage, Quellorte der Hoffnung.
Prüfstein der Hoffnung ist das Leiden. Bereits die Jünger waren blind dafür, dass Nachfolge Jesu stets auch Kreuzesnachfolge bedeutet – und damit Bereitschaft zum selbstlosen Dienst und zur Lebenshingabe. Erst wer dies begriffen hat, gerät durch Leiden nicht in Verzweiflung. Lernen können dies die Jünger vom Vorbild des blinden Bettlers Bartimäus, den Jesus heilt (Mk 10). Die Mitmenschen hatten diesen aus der Weggemeinschaft ausgestossen: ein hoffnungsloser Fall. Jesus dagegen rehabilitiert seine Würde, wendet sich ihm persönlich zu. Bartimäus liess sich die Hoffnung nicht nehmen, rief unüberhörbar: «Jesus, hab Erbarmen mit mir!» Jesus bestätigt ihn in seiner Hoffnung und heilt auch seine geistlich blinden Anhänger, indem er sie zu Hoffnungsboten macht: «Ruft ihn her!» Die Jünger bekehren sich von ihrem Defätismus zur Ermutigung: «Hab nur Mut, steh auf, er ruft dich!»
Auf Jesus zulaufen und mit ihm den Weg gehen, so wird der Mensch nach dem Vorbild des Bartimäus zum Pilger der Hoffnung. Die Oblatengruppe praktizierte dies, indem sie am Freitag den Kreuzweg im Klosterwäldchen gemeinsam ging und betete – in den Spuren Jesu. Dieser fällt drei Mal unter dem Kreuz, rafft sich dennoch auf und geht den Weg bis zum Ende. Sein Hoffnungsanker ist der Blick auf den himmlischen Vater. Die Oblaten betrachteten an der dritten Station: «Mein Kind, übergib mir all dein Versagen und deine Misserfolge, jede Entmutigung. Lass mich dir meine Dankbarkeit ausdrücken für alle jene Momente, wo es dir gelungen ist, wieder aufzustehen und deinen Weg fortzusetzen.» Und an der 9. Station: «Übergib mir alle Situationen, in denen du nicht mehr weiterkannst, denn ich verstehe sehr gut, was du verspürst! Ich lag hier um deinetwillen.»
Die Begegnung mit den biblischen Gestalten, das Nach-Gehen auf dem Weg Jesu, die Feier der Gottesdienste stärkte die Oblaten in der Gewissheit, mit welcher die Jubiläumsbulle von Papst Franziskus beginnt: «Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen.» (Röm 5,5) Der Apostel Paulus nennt den Grund für diese unerschütterliche Zuversicht: «Weil die Liebe Gottes in unsere Herzen ausgegossen ist durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist.»
Diese in Gott verankerte Hoffnung schenkt die Kraft zum Weitergehen, auch dann, wenn der Weg kein müheloses In-die-Höhe-Gondeln ist wie beim Ausflug am Samstag auf den Muttersberg. Auf diesem existierte bis 1969 eine Siedlung der Walser, dieser ausgewanderten Walliser, die im 13./14. Jahrhundert aus der Heimat wegzogen, sich in den unwirtlichsten Höhen der Alpen ansiedelten, unerschütterlich in der Hoffnung wie jener Bergbauer aus meiner Walserheimat Vals. Fragte man ihn, wie es gehe, antwortete er stets in froher Gelassenheit: «Der Herrgott wird es schon richten.»